Die richtige Routenwahl kann bereits über einen geglückten oder genervten Urlaubstart oder Campingausflug entscheiden. In der Regel möchte jeder auf schnellstem Weg zum Ziel gelangen. Zur Querung des Alpenraums bieten sich im Normalfall ein paar wenige Autobahntunnel an, Stausituationen vorprogrammiert. Mit dem Personenwagen besteht die Möglichkeit, ab und an auch mal über einen Pass den nervtötenden Stausituationen auszuweichen. Mit dem Wohnmobil oder Camper Van bietet sich dies grundsätzlich auch an, wenn du möchtest. Bereits da stellt sich aber die Frage, wie dies Motor und Bremsen verkraften. Doch was ist mit einem normalen Wohnwagen? Kannst du damit über einen Pass fahren, um einem Stau auszuweichen oder die eine oder andere Route in Bezug auf die Distanz abzukürzen? Die Frage habe ich mir selbst gestellt und im Sommer 2021 meine eigene Erfahrung dazu gesammelt.
Am Anfang stand die Idee
Im August 2021 waren wir mit unserem Wohnwagen in Graubünden unterwegs. Konkret quartierten wir uns beim TCS Camping in Disentis ein. Die Reservation haben wir sehr früh im Jahr getätigt und uns auf den Urlaub gefreut. Wir waren sogar davon überzeugt, dass wir aus dem Raum Luzern stammend rasch dort sein werden. Auf der Autobahn rauf nach Göschenen, dann via Andermatt noch weiter rauf zum Oberalppass und danach runter nach Disentis. Das Navi bestätigte diese Annahme. Doch als die Reise Näher rückte, kamen auch die ersten Zweifel, ob das mit einem Wohnwagengespann wirklich eine gute Idee ist. Was bedeutet dies für den Motor und die Bremsen des Autos? Wie ist das mit der Auflaufbremse des Wohnwagens? Plötzlich schien die Routenwahl nicht mehr so klar zu sein. Die Alternativroute führt via Chur nach Disentis und wäre deutlich länger zum Fahren. Etwas Recherche musste her, um sich ein besseres Bild zu machen.

Kaum Erfahrungsberichte vorhanden
Die Recherche brachte rasch Klarheit. Das Tool des TCS zu den Eckdaten aller Schweizer Alpenpässe liefert kurz und knapp die wichtigsten Informationen in Bezug auf Öffnungszeiten, Gefälle, Höchstbreite und Höchsthöhe der Strasse sowie zulässiges Höchstgewicht. Zum besagten Oberalppass steht dazu konkret noch folgendes:
«Es wird abgeraten, diesen Pass mit einem Wohnwagen oder Wohnmobil zu befahren.»
Irgendjemand wird sich schon etwas überlegt haben, dies entsprechend so festgelegt zu haben. Auf der Suche nach weiteren Einträgen in den Weiten des Internets, ob nicht doch jemand regelmässig mit dem Wohnwagen über die Pässe fährt oder gar über den Oberalppass gefahren ist, fanden sich eindeutig wenige Hinweise. Einzig im VW-Bus Forum wurde ich fündig. Offenbar hat das Unterfangen doch schon jemand gewagt. Das Foto vom Pass beweist dies eindrücklich. Zugegeben, der dort abgebildete Wohnwagen ist noch kleiner und leichter als unserer. Vielleicht also nicht die Empfehlung, auf die ich gehofft hatte.
Wir entschlossen uns am Ende, den Campingplatz Disentis über den weiteren Weg via Chur anzufahren. Eine gute Entscheidung, wie sich noch zeigen sollte.
Die Versuchung war zu gross
Auch der tollste Urlaub neigt sich mal dem Ende zu. So war es auch bei uns. Mit der Erfahrung im Gepäck, dass der Weg über Chur in Bezug auf die Distanz nicht der kürzeste Weg nach Hause darstellt, entschlossen wir uns entgegen der Empfehlung, den Heimweg via Oberalppass in Angriff zu nehmen. Das wird schon schief gehen, war das Motto und die Versuchung zu gross.
Nun ja, die Fahrt auf den Pass erwies sich als einfach. Obwohl die Strasse auf der Seite von Disentis rauf zum Oberalppass in Richtung Andermatt fahrtechnisch herausfordernder ist, konnten wir die Steigung und Kurven gut meistern. Eventuell hatten wir Glück, dass der Gegenverkehr moderat war. Die fehlende PS-Stärke unseres Zugfahrzeugs erwies sich als nicht wirklich gravierend. Wir kamen zügig rauf auf den Pass. Voller Stolz stellten wir das Foto aus dem VW-Bus Forum nach. Wir haben es geschafft und tatsächlich getan, wir sind mit unserem Wohnwagen auf 2´044 Meter über Meer angekommen! Es breitete sich fast schon ein Gefühl von Stolz aus, im Wissen, dass mit dem Abstieg auf der anderen Seite, die grösste Herausforderung wohl noch folgen wird. Die Vermutung sollte sich bewahrheiten.


Einmal und nie wieder
Im Anschluss ging es auf den zweiten Teil der Passüberquerung. Wir waren uns bewusst, dass wir gut auf die Bremsen achten sollten. Das taten wir auch. Der Oberalppass runter nach Andermatt ist insofern ein dankbarer Pass, als dass die Strasse breit ist und oben zuerst flach abfallend startet. Dennoch müssen vom Pass bis zum Dorf Andermatt knapp 600 Höhenmeter abgebaut werden. So war es dann auch, dass trotz aller Bemühungen den Motor bremsen zu lassen, ich dann halt doch mehr und mehr auf die Bremse treten musste. Selbes tat dann auch vor jeder Spitzkehre die Auflaufbremse des Wohnwagens. Leider ist es so, dass diese sich kaum mehr richtig lösen kann, das Gefälle ist schlicht zu gross. Der Wohnwagen bremst non-stopp.
So geschah es dann auch, dass die Bremsen heisser und heisser wurden. Dies haben wir zwar erwartet und vorsichtshalber zwei Kurven vor Erreichen von Andermatt eine Pause eingelegt. Und da kommt der grosse Nachteil ins Spiel. Die Bremsen kühlen ewig nicht richtig ab.

Nach 10 Minuten Pause waren die Bremsen, ja sogar die ganzen Felgen beidseitig des Wohnwagens noch immer am oberen Bereich von sehr warm. Wir schafften danach gerade mal die beiden Kurven runter nach Andermatt, ehe wir erneut 25 Minuten Pause einlegten. Du mussst kein Genie sein, um zu merken, dass der kürzere Weg in dem Fall nicht der schnellere sein wird.

Nach Andermatt folgte die Schöllenenschlucht. Augen zu und durch war die Devise. Kurve um Kurve windeten wir uns mit dem Wohnwagen am Hacken weitere 300 Höhenmeter hinunter nach Göschenen. Die Bremsen rochen verdächtigt, aber die Autobahneinfahrt in Göschenen war bereits in Sichtweite. Fast geschafft dachten wir, wäre da nicht just in dem Moment die Einfahrt wegen eines Unfalls gesperrt gewesen, was uns zwang, weiter talabwärts in Richtung Amsteg auf der Hauptstrasse zu verbringen. Zuviel für die Auflaufbremse. Eine weitere Pause von 20 Minuten musste her. Die Erkenntnis war eindeutig, der Zeitvorteil des vermeintlich kürzeren Weges lohnt sich definitiv nicht. Am Schluss schafften wir es auf die rettende Autobahn und sicher nach Hause.
Mein Fazit: Finger weg von Passfahrten mit dem Wohnwagen
Rückblickend komme ich zum Schluss, dass sich Fahrten mit dem Wohnwagen über Pässe definitiv nicht lohnen. Du schadest sowohl dem Zugfahrzeug als auch dem Wohnwagen. Du tust beiden sicherlich keinen Gefallen. Wer keinen Reifenplatzer riskieren will, ist gezwungen, Pausen einzulegen. Die Bremsen stinken und bleiben noch lange nach einem Zwischenstopp heiss. Eine aktive Kühlung mit Wasser wird nicht empfohlen. Das Risiko allfälliger Spannungsrisse und -brüche ist dabei zu gross.
So bleibt es für uns am Schluss ein grosses Abenteuer, dass wir zwar erfolgreich gemeistert haben, und ein Stück Erfahrung, welche uns niemand mehr nehmen kann, aber halt auch die Erkenntnis, dass wir eine Passfahrt in dem Format nicht ein zweites Mal unternehmen möchten. Das camping.ch eMagazin ist nun aber um einen Beitrag reicher und sollte jemand, ähnlich wie wir, in Zukunft auf der Suche nach Antworten zu einer Passfahrt über den Oberalppass sein, dann sag ich es hier in aller Deutlichkeit: Lass die Finger davon, Spass fühlt sich definitiv anders an. Und die umgekehrte Fahrt mit einem Wohnwagen von Andermatt über den Oberalppass in Richtung Disentis möchte ich mir gar nicht erst vorstellen. Der Weg via Chur ist zudem auch ganz schön.
das mit dem passfahren punkto auflaufbremsen, ist glaub ich noch manchem nicht klar!
Hallo toni, ja da hast du wohl recht.
Ich habe mal mit einem L300-Alkoven den Gotthard „gemacht“, da wurden die Bremsen auch kolossal heiß, insofern kann ich ungefähr nachvollziehen, wie die Tour gewesen sein muß. Auf alle Fälle ein pulssteigerndes Unterfangen!