Der Camping Sommer 2020 – Reprise und Ausblick

Wir blicken zurück auf den aussergewöhnlichen Camping-Sommer 2020 und halten fest, wie sich die Campingbranche in der Schweiz unter dem Einfluss der Corona-Pandemie entwickelt hat.
Camping-Sommer-2020

Das Jahr 2020, speziell Camping im Sommer, wird definitiv in die Geschichte eingehen. Insbesondere wird «die Wirtschaft» noch lange davon reden. Während jedoch die weltweite Pandemie viele Berufe und Wirtschaftszweige merklich ins Schwanken brachte, erlebte die Schweizer Campingbranche einen noch nie dagewesenen Boom. Auf den wochenlangen Lockdown mit ungewissen, eher pessimistischen Aussichten folgten ausgebuchte Campingplätze, überfüllte Tourismusregionen und unendlich lange Wartezeiten für neu bestellte Wohnmobile. In diesem Artikel blicken wir zurück und beleuchten die positiven aber auch die negativen Entwicklungen hinsichtlich unseres Lieblingshobbies: dem Camping.

Chronologie und Einfluss der Corona-Ereignisse aufs Campen

  • März 2020:
    Vom schweizweiten Lockdown Mitte März 2020 sind ab 1. April auch sämtliche Campingplätze betroffen. Sie müssen ihr Tore schliessen. Viele Campingplatzbetreiber blicken besorgt in die ungewisse Zukunft.
  • 26. April 2020:
    Während Geschäfte wie Coiffure, Baumärkte und Kleidergeschäfte unter strengen Schutzmassnahmen wieder öffnen dürfen, bleiben Campingplätze für Touristen (Dauermieter sind davon ausgeschlossen) weiterhin geschlossen. Verschiedene Campingverbände fordern vom Bundesrat eine Lockerung der Massnahmen.
  • 11. Mai 2020:
    Während Restaurants, Museen und Schulen wieder öffnen, müssen Campingplätze nach wie vor für Touristen geschlossen bleiben. Schweizer Campingverbände wehren sich vehement dagegen und fordern eine Freigabe zur Öffnung derjenigen Campingplätze, die ein Schutzkonzept vorweisen können. Gerade weil Schweizerinnen und Schweizer diesen Sommer voraussichtlich zu Hause bleiben, scheint es wichtig, die heimischen Campingplätze zu öffnen.
  • 19. Mai 2020:
    Fest installierte Unterkünfte auf Campingplätzen mit eigenen sanitären Anlagen, wie z.B. Bungalows, dürfen wieder eröffnen. Wohnmobile und Vans sind nach wie vor verboten.
  • 6. Juni 2020:
    Alle Campingplätze, die über ein Schutzkonzept verfügen und die Vorgaben vom BAG erfüllen, dürfen ihre Tore per sofort eröffnen. 

Was danach passierte, konnte man regelmässig in den Medien lesen: viele Tourismusdestinationen und Freizeitakteure wurden regelrecht überrannt. Die Seen wimmelten von Stand-Up Paddles, für E-Bikes gab es monatelange Wartefristen, die Berge waren aussergewöhnlich gut besucht und viele Campingplätze während der Hochsaison oft über Wochen im Voraus ausgebucht. Trotz der fehlenden ausländischen Touristen konnten viele Tourismusregionen, insbesondere diejenigen in den Bergen oder an einem See gelegenen, ihre Einnahmen durch den inländischen Tourismus ausgleichen oder verzeichneten gar exponentielle Gewinne im Vergleich zu den Vorjahren.

Doch dieser Boom fand seinen Weg nicht in alle Regionen. Insbesondere der städtische Tourismus, allen voran die Hotellerie, litt enorm unter der Coronakrise, da Gäste aus dem US-amerikanischen sowie aus dem asiatischen Raum praktisch ausblieben. Schweizerinnen und Schweizer zogen es vor, ihre Sommerferien eher in naturnahen Bergdestinationen als in städtischen Gebieten zu verbringen.

Sommerferien in naturnahen Bergdestinationen

Heimische Ferien im Camper

Schon seit einigen Jahren verzeichnet die Campingbranche ein steigendes Wachstum. Im Corona-Jahr 2020 schreibt die Branche allerdings unerwartete Rekordzahlen, mit denen niemand gerechnet hatte. Die Campingindustrie gehört klar zu den Profiteuren dieser Krise. Campen ist im Vergleich zu anderen Urlaubsformen im Hinblick auf Corona relativ sicher – Abstände zu Fremden können sehr gut eingehalten werden. Man kann in der eigenen Küche kochen und die eigenen Sanitäranlagen nutzen Die vier Räder bieten besonders viel Flexibilität, wenn es darum geht, wohin und für wie lange man wegfährt. Sind die Infektionszahlen im Tessin kritisch, fährt man halt ins Jura. Wird die Lage gesamtschweizerisch kritisch, ist man in wenigen Stunden zu Hause.

St.Ursanne im Jura – ein beliebtes Ausflugsziel für Camper

Doch wie genau lässt sich der Campingboom in der Schweiz erklären?

Ein wichtiger Faktor im Zusammenhang mit Covid-19 waren die verschiedenen Reisebestimmungen und Quarantänevorschriften, welche zu Unsicherheiten in der Ferienplanung führten. Viele Schweizerinnen und Schweizer entschieden sich deshalb dazu, ihre Ferien im Heimatland zu verbringen. Zu riskant war es, dass während den Strandferien eine Quarantänepflicht eingeführt würde und man nach der Rückkehr erstmal 10 Tage lang bei schönstem Wetter zu Hause bleiben müsste. Aber was tun, wenn man zu Hause bleibt? Für viele Schweizer heisst das: Campen gehen!

Campen mit Freunden auf einem Pop-Up Stellplatz in Uri

Abgesehen von den coronabedingten Gründen spielen weitere Trends eine wichtige Rolle für den stetig wachsenden Campingboom:

  • Back to Nature:
    Die Natur ist wieder voll im Trend. Wandern, im Garten Gemüse anpflanzen, Yoga in den Bergen oder Grillieren im Wald. Die Natur gibt uns Ruhe und Gelassenheit. Etwas, was für uns Menschen in der heutigen digitalisierten Welt an Wichtigkeit zunimmt.
  • Ökologische Aspekte:
    Unter Anbetracht des Klimawandels verzichten immer mehr Menschen aufs Fliegen und Reisen in ferne Länder. Campen ist die ideale Alternative dazu.
  • Camping Community:
    Nicht nur auf Instagram oder Facebook, sondern auch im Freundeskreis findet man immer mehr Menschen, die ein Campingfahrzeug besitzen.
  • Glamping:
    Campen bedeutet heute nicht mehr unbequem schlafen, Fertignudeln essen und in kalten Nächten frieren. Dank Standheizung, Zusatzbatterien, Solar oder moderne Sanitäranlagen wird campen immer luxuriöser.
  • Wirtschaftlich:
    Zugegeben, campen ist nicht das günstigste Hobby. Wenn campen jedoch Alltag ist und der Camper im Sinne eines Tiny-Hauses eine Wohnung ersetzt, dann lebt man vergleichsweise doch recht günstig damit.
Back to nature

Positive Auswirkungen von Covid-19 auf die Schweizer Campingbranche

Für Campingplätze und Tourismusregionen war der Campingboom, speziell nach dem ersten Lockdown, ein Segen. Obschon die Campingplätze bis anfangs Juni 2020 für toursiten geschlossen bleiben mussten und die Sommersaison um einige Monat verzögert startete, konnten viele Campingplätze den Sommer mit einer positiven Bilanz in der Buchhaltung abschliessen. Doch nicht nur Campingplätze und der Tourismus profitieren vom Campingboom, sondern auch Campingshops.

So schreibt uns der Campingshop in Dagmersellen, eines der schweizweit grössten Campinggeschäfte, dass sie mit Anfragen regelrecht überhäuft wurden. Insbesondere die Nachfrage nach mobilen Campingtoiletten sei so unerwartet hoch gewesen, dass diese palettenweise verkauft wurden. Zudem gab es bei praktisch allen Produkten Lieferengpässe. Einerseits aufgrund der völlig unerwartet hohen Nachfrage, aber auch, weil viele Hersteller aufgrund der Pandemie ihre Produktion und Logistik heruntergefahren oder vorübergehend gar ausgesetzt hatten.

Auch der Onlineshop campz hatte dieses Jahr mehr zu tun als in vergangenen Jahren. So vermerkte man speziell im Schweizer Absatzmarkt eine sehr hohe Nachfrage an Wander- und Kletterzubehör sowie an Camping-Möbeln, Gaskocher und allgemeinem Campingbedarf. Campz geht davon aus, dass in diesem speziellen Jahr viele Leute ihre Liebe zur Natur, Outdoor-Aktivitäten und Sport für sich entdeckt haben. Er rechnet auch in den kommenden Jahren mit einem Wachstum.

Immer mehr Menschen suchen Freizeit und Erholung in der Natur

Negative Entwicklungen

So schön diese Zahlen und Entwicklungen für die Campingindustrie auch sind, nicht alle sehen den Campingboom als Segen. In einigen Regionen hat man dieses Jahr eine starke Zunahme beim Wildcampen verzeichnet. Das ist vielen ein Dorn im Auge. So etwa Sonja Reichen, Leiterin des Tourist-Centers in Kandersteg. Sie schreibt uns, dass man regelmässig Campingfahrzeuge an Orten vorfand, wo campen ausdrücklich verboten war, wie etwa auf der Landebahn der Gleitschirmflieger. Zudem hätten die nicht-autarken Camper oftmals ihre Hinterlassenschaften samt WC Papier in der Natur hinterlassen und die Kander als Badezimmer benutzt. Sehr unschöne Szenen und Nebeneffekte.

Die Gondelbahnen Oeschinensee schrieb uns, dass am Oeschinensee trotz Camping-Verbot und Naturschutzgebiet teilweise über 50 Zelte pro Nacht standen. Dass Zelte über keine sanitären Einrichtungen verfügen, muss ich wohl nicht extra erwähnen.

Wildcampen oberhalb der Baumgrenze ist an vielen Orten gestattet

Andere befragte Tourismusregionen wie Flims, Lauterbrunnen, Engelberg oder Engadin stellten ebenfalls eine Zunahme an Wild-Campierern fest, jedoch in einem tolerierbaren Mass. Es gab nur vereinzelt Fälle, in denen negative Erfahrungen mit Wild-Campern gemacht wurden. Die Befragung ergab auch, dass Destinationen, die bereits viele Campingplätze hatten, wie etwa Lauterbrunnen, grundsätzlich weniger Wildcamper verzeichneten als Destinationen, wo es weniger Campingplätze gab. Eine logische Schlussfolgerung.

In diesem Zusammenhang möchten wir erwähnen, dass Wildcampen nicht grundsätzlich verboten ist. Typisch Schweiz hat jede Gemeinde ihre eigenen Vorgaben. Ob und wie Wildcampen bei einem Verbot tatsächlich bestraft werden kann, muss gesetzlich verankert sein, z.B. im Camping- oder Polizeireglement. Das hatte die Gemeinde Kandersteg verschlafen, denn Wildcampierer konnten mit dem vorhandenen Reglement nicht bzw. nur sehr aufwändig zur Kasse gebeten werden. Anders etwa das Ortspolizeireglement von Lauterbrunnen oder Flims, welches festhält, dass Wildcampen verboten ist und gebüsst werden kann. Kandersteg ist daher dabei, das Reglement zeitnah anzupassen. 

Viele der befragten Tourismusregionen hatten aufgrund des unerwarteten Camping-Booms kurzfristig zusätzliche Stellplätze geschaffen – etwa bei Seilbahnstationen, auf Sportplätzen, grossen Parkplätzen oder gar auf dem Areal einer Pfadi. Zudem gaben viele an, die Anzahl Stellplätze für den kommenden Sommer aufzurüsten.

Zwischenstopp auf einem Berg-Campingplatz

Wie geht es weiter mit dem Campingboom?

Sämtliche Statistiken weisen daraufhin, dass der seit Jahren ansteigende Campingtrend auch in Zukunft anhalten wird. Ob allerdings das Wachstum auf dem derzeitig hohen Niveau bestehen bleibt, ist offen und wird sich in den kommenden Jahren zeigen.

Weiterführende Informationen / Links

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